Kann man Düfte verfilmen? - "Das Parfum"

Regie: Tom Tykwer
Produktion: Bernd Eichinger
Drehbuch: Bernd Eichinger, Andrew Birkin, Tom Tykwer
Laufzeit: 147 min.
Bundesstart: 14.9.2006
Kann man Düfte verfilmen? Diese Frage stellte sich auch für die Crew rund um Regisseur Tom Tykwer, als es um die Verfilmung des Bestseller-Romans "Das Parfum" von Patrick Süsskind ging. Lange Zeit galt der Roman als unverfilmbar, was jedoch nicht allein am Problem der Visualisierung von Gerüchen lag. Süsskind selbst lehnte eine Verfilmung stets ab. So ist es wohl im Grunde Eichingers Hartnäckigkeit zu verdanken, dass "Das Parfum" nun, knapp 20 Jahre nach Erscheinen des Romans, den Weg auf die Leinwand gefunden hat.
Inhaltlich muss an dieser Stelle wohl nichts mehr genannt werden, so soll der Blick hauptsächlich auf die filmische Umsetzung des Werkes gerichtet werden.
Im Grunde war es Süsskind selbst, der die Antwort auf die Frage, ob man den Duft verfilmen kann, mit seinem Roman selbst schon gegeben hat: Denn die Schriftlichkeit des Romans vermag den Duft ebensowenig wiederzugeben, wie die Bilder des Filmes. Dennoch gelang es Süsskind, mit "Das Parfum" einen internationalen Romanerfolg zu landen: In mittlerweile 45 Weltsprachen übersetzt, gilt die Geschichte um den Pariser Parfumeur als das zweiterfolgreichste deutsche Buch nach "Im Westen nichts Neues". Wenn das geschriebene Wort eine derartige Faszination auslösen kann, dann können es Bilder ebenso - und Tykwer ist die richtige Person, wenn es um die Erschaffung dieser Bilder geht.
Binnen weniger Minuten hat der Film schon erreicht, was anderen nicht mal bis zum Abspann gelingt: Die opulenten Bilder, die gigantischen, realistischen Kulissen fluten den Kinosaal und sorgten selbst in einer nahezu ausverkauften Veranstaltung für eine selten im Kino zu erlebende Stille beim gesamten Publikum.
Gedreht wurde nicht nur im Studio in München, sondern vor allem in Barcelona. Tykwer hat ganz offensichtlich keine Mühe gescheut, um die schmutzigen Strassen vom Paris des 18. Jahrhunderts wieder auferstehen zu lassen. Und es ist überdies auch der damit verbundene Gestank, der sich plötzlich über die Bilder in den Kinosaal ergießt.
Es ist vor allem die bemerkenswerte Leistung von Alexander Berner, dessen perfekte Montage die Fähigkeit des Jean-Baptiste Grenouille für den Zuschauer im Kino nachvollziehbar, ja fast schon spürbar macht: Lange ruhige Einstellungen, die Grenouilles Geruchssinn die Zeit geben, die Umgebung zu erfahren, werden plötzlich attackiert von immer kürzer werdenen Schnittfolgen unterschiedlichster Geruchsquellen. So, wie diese Gerüche auf den Protagonisten einstürzen, so sind es die damit verbundenen Bilder des Filmes, die als Metapher der Düfte auf den Zuschauer hineinbrechen.
Sehr viel Zeit vergeht, bis aus dem bedauernswerten Grenouille das verabscheute Monster wird. Doch diese Zeit dient schließlich nicht dazu, um die Taten des Parfumeurs zu rechtfertigen oder gar Mitleid für ihn zu empfinden. Zweifelfrei ist Mitleid ein Thema, doch hat das Gros der Kritik dieses bislang falsch zu deuten gewusst. Offensichtlich geht es Tykwer doch um mehr, als aus dem kaltblütigen Mörder wieder den Menschen zu machen: Grenouille wird zur Metapher der Existenzialphilosophie und es ist in diesem Zusammenhang schließlich seine persönliche Kenntnis davon, dass alles, wofür er gelebt hat, trotzallem seinem Leben keinen Sinn geben kann. Er ist Teil einer Welt, die er nicht fassen kann (bestenfalls nur riechen kann) und die Welt findet keinen Zugang zu ihm. Grenouille war stets allein und bleibt auch noch in Tykwers bombastischen Finale, bei dem geradezu wortwörtlich die ganze Welt zusammenfindet und ebenso jeden Zuschauer im Kinosaal abholt, allein.
Spätestens nun muss man feststellen, welch ungeheure Wucht und Kraft Regisseur Tykwer hier auf die Leinwand gebracht hat. Denn was in jenem Moment der gradiosen Szene auf dem Marktplatz auf der Leinwand passiert, wird man in dieser gewaltigen Art und Weise wohl nicht allzu oft im Kino erleben dürfen: Bild und Ton vereinen sich zu einem intensiven, warmen Teppich, der sich in wenigen Sekunden durch den Kinosaal rollt und Jeden augenblicklich in den Sessel drückt. Sicherlich kann man hier nur erahnen, wie "Das Parfum" wohl riechen könnte, auf jeden Fall schafft es Tykwer jedoch zu zeigen, wie dieser Duft aussieht und wie er klingt. Offensichtlich hat die Kritik hier nur einen flüchtigen Blick riskiert, anders sind die teilweise durchwachsenen Äußerungen nicht zu verstehen.
Ein User der IMDB hat es in seiner persönlichen Kritik ebenso deutlich formuliert: "The Critics Are Wrong - Brilliant" - recht hat er, daher ist nichts anderes als 10 von 10 Punkten möglich.
Ja, man kann Düfte verfilmen.
Zwischen dem 19.9 und 23.9. spricht Tykwer im Übrigen exklusiv über seinen Film in "Service Aktuell: Wissen" auf EinsPlus (ard digital).
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